In fünf Teilen möchte ich auf die Entwicklung unserer Schule blicken, beanspruche damit aber nicht, alle Seiten der Entwicklung zu beschreiben, sondern rege vielmehr einen Austausch darüber an.
Anlass für diesen Text war eine Anfrage des Jung-Stilling-Zweiges. „Zweige“ werden die lokalen Gruppen der Anthroposophischen Gesellschaft Deutschland genannt. In diesen Gruppen setzen sich die Mitglieder mit anthroposophischen Fragestellungen, spirituellen Anliegen und gesellschaftlichen Herausforderungen auseinander.
Der Jung-Stilling-Zweig Siegen wurde vor 100 Jahren gegründet und begeht diesen Anlass mit einer Jubiläumsschrift, in der sich auch verschiedene Einrichtungen der Region präsentieren, die auf der Anthroposophie basieren.
Ab Januar 2025 wird auch der Zweig in Abschnitten Textauszüge aus seiner Jubiläumsschrift hier veröffentlichen.
Die Rudolf Steiner Schule Siegen befindet sich zurzeit im 45. Schuljahr. Im Laufe dieser Jahre hat sie sich natürlich verändert. In jedem Schuljahr kommt ja durch die Kinder etwas Neues herein, und diejenigen, die die Schule „machen“, müssen für diese Kinder den passenden Rahmen gestalten und dafür den gewohnten verändern. Zugrunde liegen dabei das anthroposophische Menschenbild und das Ideal, das auch die Gründungseltern und -lehrkräfte vor 1980 beflügelt hat, nämlich dass die Schule radikal vom Kind aus gedacht wird, verbunden mit der Frage: Was brauchen die Kinder für ihre gesunde Entwicklung, damit sie ihre Erneuerungskräfte in die Gesellschaft einbringen können?*
Die Aspekte der kindlichen Entwicklung hat Rudolf Steiner vielfach beschrieben, und in der Waldorfpädagogik wurden sie weiter erforscht. Auch die Schule als Organisation durchläuft verschiedene Phasen der Entwicklung. Bernard Lievegoed und Friedrich Glasl verbanden sozialwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Erkenntnisse und entdeckten vier Phasen der Organisationsentwicklung: die Pionierphase, die Differenzierungsphase, die Integrationsphase und die Assoziationsphase. Diese Phasen ergeben sich allerdings nicht automatisch. Manche Organisation bleibt in einer Phase stecken – es kommt darauf an, wie auf die inneren und äußeren Umstände und Herausforderungen reagiert wird.
Hartmut Kastell
* „Was ist im Menschen veranlagt und was kann in ihm entwickelt werden? Dann wird es möglich sein, der sozialen Ordnung immer neue Kräfte aus der heranwachsenden Generation zuzuführen.“ (Rudolf Steiner, Freie Schule und Dreigliederung, 1920)