Delegiertentagung und Mitgliederversammlung des Bundes der Freien Waldorfschulen am 22./23. November in Pforzheim – Ein Bericht von Ilmarin Mothes und Anabell Dreber
Anhand der Leitsterne der Waldorfpädagogik haben die Vorständinnen Nele Auschra und Eva Wörner uns in das Thema der Delegiertentagung eingeführt. Im Einzelnen sind sie die 11 Punkte durchgegangen und haben immer wieder kritisch gefragt: Wo stehen wir da?
Ein Aspekt war etwa, dass die Ausbildung sowie die kontinuierliche Fortbildung von Pädagoginnen und Pädagogen eindeutig zu unseren Zielen gehört, ebenso wie der Blick über den Tellerrand oder die gemeinschaftlich getragene Gestaltung der Organisation Schule. Es folgte jedoch ein großes ABER. Lehrkräfte gestalten ihren eigenen Unterricht und übernehmen Vertretungen. Damit allein sind sie oft schon gut ausgelastet. Alles, was dazu „on top“ kommt, benötigt zusätzliche Kräfte – und zwar nicht nur einer Person. Schüler:innen, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen sind davon ebenso betroffen. Gleichermaßen von großer Bedeutung erschien allen der Punkt der Würde. Wir fragten uns, wie wir alle uns gegenseitig wertschätzen und miteinander in Kommunikation treten. Ein Thema, das uns auch an der Siegener Schule umtreibt.
In allen weiteren Formaten der Delegiertentagung wurde immer wieder deutlich: Es gibt viel zu tun für die Waldorfwelt. Es besteht der Grund zur Sorge, dass die Eurythmie ausstirbt, denn die Anzahl der Studierenden wird immer geringer. Zudem wünschen Schülerinnen und Schüler sich auch in der Oberstufe mehr Waldorfpädagogik und zugleich einen Austausch darüber, was Anthroposophie überhaupt ist, um gewissen Dinge besser einordnen zu können. Der Lehrkräftemangel, einhergehend mit der politischen Entwicklung in Deutschland, brachte gar due Frage auf, ob es uns in zehn Jahren noch gebe. Es geht hier demnach um existenzielle Fragen.
Wer nun jedoch meint, dass die beiden Tage in Pforzheim alle in Angst und Schrecken versetzten, sei beruhigt. So viel Kritik aufgekommen sein mag aus den eigenen Reihen, so deutlich wurde doch, wie viele innovative Kräfte in unseren Schulen stecken. Es bildete sich eine Gruppe der U40-Lehrer:innen. Es gab Anregungen zur neuen Gestaltung von Unterricht und Lehrplänen. Die neue Webseite mit Blick auf die Projekte entlang der 17 Nachhaltigkeitsziele ist ein Teil davon. Und die Neuauflage des Waldorf-Lehrplans, der auf der Seite der pädagogischen Forschungsstelle zu finden ist, macht ebenso deutlich, dass die Waldorfpädagogik keineswegs 100 Jahre alt und verstaubt ist.
Am Samstag fand dann noch die Mitgliederversammlung des Bundes der Freien Waldorfschulen statt. Die sieben Vorstände berichteten von Themen, die sie beschäftigen, wie das Gesetz zur Ganztagsbetreuung oder das lebendige Leben des Kinderschutzkonzeptes.
Beim Bericht zum Haushalt 2023/24 wurde noch mal deutlich: Die größten finanziellen Posten sind Projekte, wie das Kasseler Jugendsymposium, der Waldorf-Experten-Service, die Buchmesse in Frankfurt, das Abschlussportfolio oder die Qualitätsentwicklung. Weitere Gelder fließen natürlich in die Verwaltung, die Mitarbeitergehälter und Honorare, die Öffentlichkeitsarbeit und die Rechtsberatung. Viel Diskussion löste zudem der Haushalt der Lehrer:innen-Bildung aus. Fast 12 Mio. Euro fließen allein in die neun Vollzeit-Seminare. Die berufsbegleitenden Seminare kommen noch hinzu. Das alles will von den 256 Waldorfschulen des Bundes mitfinanziert werden. Daraus resultiert gleichzeitig die Erwartungshaltung, dass ausreichend Lehrkräfte von den Seminaren in die Schulen fließen.